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Mit der Turbosanierung rückt der Traum vom klimaneutralen Zuhause in greifbare Nähe. Aber schafft man die Klimaneutralität in nur 22 Tagen? Eine Musterbaustelle wagte den Versuch und zeigt, wie es geht.
In Deutschland stehen etwa 16 Millionen Wohngebäude vor der Herausforderung, energetisch saniert zu werden. Viele von ihnen sind über 60 Jahre alt. Doch die meisten Hauseigentümer:innen zögern aufgrund der langwierigen und oft teuren Sanierungsprozesse.
Dass es auch anders geht, zeigt der Leipziger Bauingenieur Ronald Meyer mit seinem „Sanierungssprint“. Schnell, effizient und klimaneutral ist seine Devise. Mit der Musterbaustelle setzt er neue Maßstäbe und erreicht in nur 22 Tagen die Klimaneutralität.
Der Startschuss für Meyers Pilotprojekt „Sanierungssprint“ fiel schon 2005, als er für die Fernsehsendung „Zuhause im Glück“ ein technisches und logistisch durchdachtes Renovierungskonzept entwickelte, das in nur acht Tagen umgesetzt wurde.
Was damals für das Fernsehen gedacht war, verwandelte Meyer über Jahre der Planung in ein reales Sanierungskonzept. Im Herbst 2023 setzte er es erstmals vollständig um und modernisierte eine Doppelhaushälfte aus dem Jahr 1963 in Hamburg – in gerade einmal 22 Tagen.
Das Ergebnis: Eine energetische Kernsanierung, bei der das Gebäude nicht nur vollständig renoviert, sondern auch klimaneutral wurde. Meyer tauschte die alte Ölheizung gegen eine Wärmepumpe und eine Photovoltaikanlage aus, erneuerte die komplette Haustechnik sowie die Bäder und dämmte das Haus. Auch das Dach wurde ausgebaut.
Dank der cleveren Zusammenarbeit von bis zu 20 Handwerker:innen, die in Schichten arbeiteten, wurde das Projekt in Rekordzeit fertiggestellt.
Wie gelingt es, ein so komplexes Bauprojekt in so kurzer Zeit abzuwickeln? Der Schlüssel liegt in der minutiösen Zeit- und Prozessplanung. Meyer fungiert als Sanierungscoach und überwacht die verschiedenen Dienstleister:innen, die Hand in Hand arbeiten. Dank einer optimalen Abstimmung vor Ort lassen sich häufige Fehler vermeiden, wie etwa kollidierende Strom- und Wasserleitungen. „Wenn die Teams gleichzeitig am gleichen Ort sind, laufen die Arbeiten viel effizienter und reibungsloser ab“, erklärt Meyer. Diese enge Zusammenarbeit spart Zeit, Geld und vor allem Nerven – sowohl für die Handwerker:innen als auch für die Hauseigentümer:innen.
Die Vorteile dieser Turbosanierung sind offensichtlich: Hausbesitzer:innen profitieren nicht nur von einem modernen, energieeffizienten Zuhause, sondern auch von geringeren Energiekosten. Das Hamburger Pilotprojekt reduzierte den Energieverbrauch um beeindruckende 80 % und erfüllte die strengen Anforderungen des KfW-Effizienzhauses 70 EE (Erneuerbare Energien).
Durch den Einsatz erneuerbarer Energien und nachhaltiger Baumaterialien werden die von Meyer sanierten Gebäude klimaneutral, was sowohl den Wert der Immobilie als auch die Umweltbilanz erheblich verbessert.
Darüber hinaus bietet die Prozessoptimierung auch handfeste wirtschaftliche Vorteile. Handwerksbetriebe können durch die effiziente Planung mehr Baustellen gleichzeitig bearbeiten und ihre Leistungen kostengünstiger anbieten. Laut Meyer könnte ein eingespieltes Team die Sanierungskosten um bis zu 20 % senken, da viele Häuser aus den 60er und 70er Jahren ähnliche Strukturen aufweisen und somit standardisierte Arbeitsabläufe ermöglichen.
Wird die Turbosanierung zum Standard oder zumindest eine Option bei der Wahl eines Sanierungsanbieters, wäre das ein wertvoller Beitrag zur Energiewende. Der Gebäudesektor ist in Deutschland für einen erheblichen Teil der CO₂-Emissionen verantwortlich. Dennoch liegt die Sanierungsquote derzeit bei nur 0,7 %.
Meyer ist überzeugt, dass sein Konzept die Sanierungsquote verdreifachen kann. „Wenn unser Ansatz Schule macht und in ganz Deutschland umgesetzt wird, könnte dies einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten“, sagt Meyer.
Die Zukunft der Turbosanierung sieht Meyer in der fortschreitenden Digitalisierung und der seriellen Fertigung von Bauteilen. Damit könnten sich die Modernisierungsquoten weiter steigern. „Mit Robotik und vorgefertigten Bauteilen könnten wir bis 2030 eine Sanierungsquote von vier Prozent erreichen“, erklärt der Bauingenieur.
Damit könnten wir der Vision der Bundesregierung, bis 2045 klimaneutral zu werden, einen großen Schritt näherkommen. Doch dafür braucht es die Mithilfe aller Beteiligten – insbesondere der Baubranche.
Um sein Konzept noch weiter zu verbreiten, hat Meyer nicht nur ein eigenes Bauunternehmen gegründet, sondern auch gemeinsam mit dem Bundesverband Gebäudemodernisierung e. V. ein neues Berufsbild geschaffen: den Sanierungscoach. Dieser spielt eine zentrale Rolle in der Koordination der Gewerke und der Überwachung der Bauprozesse. Zusätzlich bietet der Verband Weiterbildungen für Modernisierungsberater:innen und Modernisierungsmakler:innen an, um das notwendige Know-how in der Branche zu verbreiten.
Mit dem „Sanierungssprint“ hat Ronald Meyer ein Modell entwickelt, das nicht nur schnell und effizient ist, sondern auch das Potenzial hat, die Baubranche nachhaltig zu verändern. Die Kombination aus Zeitersparnis, Kosteneffizienz und Klimaneutralität macht die Turbosanierung zu einem zukunftsweisenden Ansatz für die Modernisierung des deutschen Gebäudebestands. „Wir haben Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit“, sagt Meyer. „Jetzt müssen wir sie nur umsetzen.“
Eine Doku zum Hamburger Sanierungssprint vom Oktober 2023 ist in der ARD-Mediathek zu finden (ardmediathek.de), Stichwort „Turbosanierung“.